Sie beginnt mit den Kölner Stiftsherren von St. Aposteln, die im 12. Jahrhundert eine Filiale an der Wupper errichteten, St. Nikolaus bauten und vor allem genau hier den Fluss stauten zum Betrieb ihrer Mühlen. Fluss, Wehr und Mühlen waren dann lange Zeit entscheidend für die Energie wie für die Ökonomie von Wipperfürth.
Nun zum zweiten Teil der Geschichte rund 700 Jahre später. In einem Schuppen an der Wupper beginnen zwei Jungunternehmer mit der Herstellung von Glühbirnen für Taschenlampen: Richard Drecker, der gerade eine Spinnerei durch einen Brand verloren hatte, und Adolf Berrenberg, geboren im nahen Marienheide, genauer in Griemeringhausen. Er war als junger Mann nach Amerika ausgewandert, wurde Mitarbeiter des Elektropioniers Thomas Edison und, entscheidend für das neue Unternehmen im Schuppen, kehrte 1904 zurück mit dem Patent für eine Vakuumpumpe, mit der man die Luft aus den Glühbirnen pumpen kann. Die beiden nennen ihr Unternehmen „Radium“ nach dem lateinischen Wort für Strahl, Lichtstrahl, und haben schnell Erfolg. Es ist die Zeit der elektrischen Beleuchtung, erst des öffentlichen, bald des privaten Raums. Radium wächst rasch, wird zum wichtigsten Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb der Stadt. Die Firma hat das Glück, unbeschädigt durch den Krieg zu kommen, kann weiter expandieren und hat zeitweise mehr als 1.000 Beschäftigte in Wipperfürth.
„Radium“: das lateinische Wort für Strahl, Lichtstrahl
Neben der Massenproduktion von Glühlampen wird Radium ein hochinnovatives Unternehmen. 1962 entwickelt die Firma die erste Hochdruck-Entladungslampe, bekannt als Halogen. 1989 gibt es für das „tageslichtähnliche Filmlicht“ einen Oscar in Hollywood. Ganz groß kommt man aber raus mit dem Licht beim Sport. 1958 wird der allererste Fußballplatz der Republik mit Flutlicht ausgestattet, es ist der Sportplatz „Dreiböcken“ an der Wupper. Und das soll sogar Udo Lattek beeindruckt haben, vor seiner Trainerkarriere damals noch Trainer beim heimischen Fußballverein. 1972 beleuchtet Radium dann die Olympischen Spiele in München mit seinen Lampen und 2014 die Stadien der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien.
Auch wenn sich das Unternehmen allmählich von der seriellen Produktion zur Spezial-Manufaktur entwickelt hat, für Wipperfürth bleibt Radium prägend. Schornstein, Turbinen- oder Lichthaus gehören zum Bild der Stadt. Sie ist „um die Fabrik herum gewachsen“, beschrieb das einmal einer der Geschäftsführer. Damit hängt auch das Projekt der REGIONALE 2025 zusammen: Auf zu neuen Ufern in Wipperfürth. Das Projekt sieht vor, im Bereich „Alte Drahtzieherei“ einen neuen Aufenthaltsbereich an der Wupper entstehen zu lassen und die Anbindung an die Innenstadt durch eine neue Brücke zu verstärken. In diesem Areal ist der Rückbau des bestehenden Wehrs vorgesehen, an dessen Staustufe im Mittelalter einmal alles begann.

Selten wurde in der Frühzeit der Fotografie die Arbeitswelt dokumentiert und noch seltener Frauen bei der Fabrikarbeit. Das Bild von Emil Hardt aus dem Wipperfürther Glasplattenarchiv ist um 1913 aufgenommen. Junge Frauen waren besonders gefragt, man sprach ihnen eine höhere manuelle Sorgfalt zu – wie hier mit den Glaskolben der Glühlampen. Gleichzeitig war ihre Arbeitskraft billiger, sie verdienten weniger als ihre männlichen Kollegen. Für die Belegschaft stattete Radium das neue Turbinenhaus mit Wannen- und Brausebädern und einem Schwimmbad aus, und für die jungen Frauen baute man ein eigenes Wohnheim am Stadtrand.