Seit 20 Jahren gibt es im Frühsommer in Köln das Edelweißpiratenfestival, mit Musik, Diskussionen und Exkursionen zur Erinnerung und in der Tradition der „Edelweißpiraten“ – oppositionelle Gemeinschaften von Jugendlichen, die sich im Dritten Reich gegen die Hitlerjugend stellten. Andere nannten sich „Navajos“ oder „Kittelbachpiraten“, trafen sich in kleinen Gruppen, immer mit Gitarren in der Tradition der Jugendbewegung. Anfangs in den Parks der Stadt oder am Rhein, und als sie dort vertrieben wurden, zogen sie weiter hinaus, mit der Bahn, dem Rad oder zu Fuß, ins Siebengebirge, den Königsforst und auch ins Bergische Land. Die Ziele waren ähnlich, abgelegene Täler, Flüsse und Bäche, ruhige Talsperren – im Bergischen etwa die Lingesetalsperre – oder einsame Steinbrüche. Das Naafbachtal im Nordosten von Lohmar war ein beliebtes Ziel, ein stilles Tal abseits der Hauptrouten mit kaum ausgebauten Straßen. Hier konnten sie sich unabhängig und unbeobachtet fühlen und vor allem frei vom Drill der Hitlerjugend und der Partei. Treffpunkt war die Naafmühle, heute eine der am vollständigsten erhaltenen Wassermühlen im Rhein-Sieg-Kreis und noch immer abseits gelegen am Naafbach. Das Kölner Festival erinnert an diese Geschichten, besucht in Exkursionen die alten Versammlungsorte und überliefert ihre Erinnerungen. Wie Zeitzeug*innen berichten, ging es den Edelweißpiraten oft nicht nur um politische Abgrenzung, sondern um ihr Leben nach eigenen Vorstellungen. Das galt – und für Heranwachsende selbstverständlich – nicht zuletzt für die gemeinsamen Unternehmungen von Mädchen und Jungen. HJ und Gestapo machten hieraus „ein zügelloses Treiben“ der „wilden Cliquen“, das rigoros bekämpft wurde. Die „sittliche Verwahrlosung der jugendlichen Gruppen“ sei vor allem auf den Rheinwiesen, an den Talsperren des Bergischen Landes und an weiteren unbeaufsichtigten Plätzen zu beobachten. Wie eben auch im Naafbachtal.
Interessierte finden weitere Informationen zu den Edelweißpiraten im NS-Dokumentationszentrum Köln: Von Navajos und Edelweisspiraten | NS-Dokumentationszentrum Köln
Treffpunkt „Altes Wehr“
„Ammerland“ heißt ein Abschnitt der Sülz zwischen Rösrath und Hoffnungsthal. Die Staustufe „Altes Wehr“ war schon seit den 1920er-Jahren ein überaus beliebtes Badeziel und wurde in der NS-Zeit zum Treff der oppositionellen Jugendlichen. Ein Gestapo-Bericht nach einer Razzia im Herbst 1937: „Hier trafen sich die Burschen aus dem ganzen Kölner Stadtgebiet mit ihrem weiblichen Anhang. Sie sangen dort die verbotenen Lieder, zelteten und führten Gespräche, die sich um ihre bündischen Bestrebungen handelten. Auch in sittlicher Hinsicht benahmen sich die Burschen mit ihren Mädels in ungebührlichster Weise.“