In der miserablen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit Hunger, Not, Elend und der galoppierenden Inflation fuhren Hunderte aus Köln mit der Bahn von Kalk nach Overath, zunächst zum „Hamstern“, gingen aber zunehmend dazu über, direkt auf den Feldern die Kartoffeln zu stehlen. „Große Gruppen trafen ein, um die Felder dort und im Umland zu plündern“, erzählt ein Rösrather Heimatforscher. Mit Spitzhacken und Schaufeln gruben sie auf den Feldern die Kartoffeln in Mengen aus. Die Bergischen ließen sich das nicht lange gefallen und belagerten beim nächsten Mal die Ankommenden schon im Bahnhof in Overath. Es kam zu Straßenschlachten, die Kölner*innen stürmten den Ort und am Ende des Tages blieben ein erschossener Plünderer, ein erschlagener Bauer und zahlreiche Schwerverletzte zurück. Das wiederholte sich wenige Tage später. Am 27. Oktober 1923 hatte die Bahn wieder Tausende ins Aggertal gebracht. Alles eskalierte, als die Gemeinde Overath eine Dorfwehr aufstellte, der sich Bergleute und Arbeiter aus der Umgebung anschlossen, den nächsten Zug mit geladenen Gewehren schon in Honrath stoppten und zur Rückkehr zwangen. Es ging noch zwei- oder dreimal hin und her, bis die Bahn Anfang November ihre Züge einstellte und endlich die französische Besatzungsmacht einschritt und eine Kompanie Soldaten nach Overath verlegte. Der Kampf um die Lebensmittel ging als Kartoffelkrieg in die Geschichte ein, mal als Overather, mal als Kalker Kartoffelkrieg – je nach Bahnhof und Sichtweise. Keiner der Beteiligten hatte ja Grund, daran stolz zu erinnern. Und anders als in der ebenso mageren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es keinen Kardinal Frings, der 1946 das Plündern als eine Art „Mundraub“ legitimierte in seiner berühmten Silvesterpredigt „Der Einzelne darf in der Not das nehmen, was er zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit notwendig hat …“ und was als „Fringsen“ Eingang in den rheinischen Sprachschatz fand. Doch diesmal ging es um Kohlen, nicht um Kartoffeln.