Nun ist es gerade mal zwei Generationen her, dass Menschen in Bonn, Köln oder Düsseldorf beim Thema Erholung an Eitorf oder Donrath dachten und nicht an El Arenal oder Valdemossa, sich eher am Kahnweiher Dürscheid ins bergische Wasser stürzten als im mallorquinischen Port de Soller und Zimmer buchten im „Hotel Glasmacher“, dem „Grand Hotel d‘Herchen“ an der Sieg oder im „Haus Steinbreche“ in Refrath. Das Bergische war „in“ und nicht die Balearen. Und auch wenn heute Mallorca auf dem Reiseplan für einen Kurztrip steht und das alles „Tourismus“ heißt, hat sich im Grunde nichts geändert.
Geblieben ist die Reisezeit. Man war allerdings ins Bergische weniger lange unterwegs als heute vom Köln-Bonner Flughafen nach Palma, nämlich gute zwei Stunden. Und geblieben ist der Anlass für‘s Reisen, die Alternative zum Alltag, damals wie heute. Vor allem mit dem Straßen- und Bahnbau im 19. Jahrhundert nahmen die Sommerfrischler*innen zu, wie etwa in Windeck-Herchen mit dem Bau der Bahn von Köln nach Siegen zwischen 1850 und 1860. In der Belle Époque entstanden zahlreiche Hotelanlagen und Pensionen und der Baedecker verlieh Herchen 1883 das Qualitätssiegel „schönster Luftkurort des Siegkreises“. Allerdings nicht unstrittig. So plädierte die Bergische Wacht bereits 1924 für eine Einschränkung der Sonntagsausflüge mit dem Auto: „Wir wollen reine Luft und ungefährdete Spaziergänge, wir wollen nicht Staub, Unrat und Krankheitskeime schlucken.“
Den Tourismus ins Bergische gab es bis in die Nachkriegszeit, noch in den 1970er Jahren existierten vor Ort ein Dutzend Beherbergungsbetriebe und bis heute vor
allem der schöne Kurpark an der Sieg. Das Wort „Kur“ dokumentiert dann ein verändertes Verständnis von Freizeit und Urlaub. Es geht jetzt eher um Gesundheit und Erholung. Und wieder ist das Bergische ganz vorn: Herchen wird 1986 staatlich anerkannter „Erholungsort“, so wie Reichshof-Denklingen schon ein paar Jahre früher. Das ist quasi die erste Stufe der amtlichen Anerkennung. Die nächste ist „Heilklimatischer Kurort“, wie sich Nümbrecht seit 1987 und Eckenhagen seit 1991 nennen dürfen. Die beiden sind inzwischen die Hotspots für die zahlreichen Patienten bzw. Gäste. Jetzt gesellen sich zu den Kuren die Rehas und
die Hoteliers und Gastwirte werden von Ärzten und Therapeuten abgelöst. Das Ganze natürlich im Kontext von Klima, Wald und Natur des Bergischen. Und das genau hat ja auch schon die Urgroßeltern im 19. Jahrhundert hergelockt.